"Es funkt" - oder die Neurochemie der Musik
- Dr. Teresa Wenhart
- 25. März
- 5 Min. Lesezeit
Hast du dich jemals gefragt, warum Musik dich so glücklich macht oder beruhigt? Musik beeinflusst dein Gehirn auf erstaunliche Weise – sowohl beim Hören als auch beim aktiven Musizieren. In diesem Artikel erfährst du, wie Musik die Ausschüttung von Glücks- und Bindungshormonen sowie stressreduzierenden und immunstärkenden Botenstoffen fördert. Entdecke die faszinierenden neurochemischen Prozesse, die hinter deiner Lieblingsmusik stecken!

Zahlreiche neurochemische Prozesse werden durch Musikhören und aktives Musizieren insbesondere im sozialen Kontext, das heißt in Gruppen, beeinflusst.
Die Rolle von Neurotransmittern
Neurotransmitter sind chemische Botenstoffe im Gehirn, die die Kommunikation zwischen Neuronen ermöglichen. Mehrere Neurotransmitter wurden mit Musikhören und Musizieren in Verbindung gebracht:
Dopamin - Belohnung & Glück durch Musik
Eine der wichtigsten neurochemischen Reaktionen des Körpers auf Musik ist die Freisetzung von Neurotransmittern wie Dopamin. Dopamin ist ein Neurotransmitter, der bei Belohnung und Vergnügen ausgeschüttet wird. Studien haben gezeigt, dass das Hören von Musik, die einem persönlich gefällt, die Freisetzung von Dopamin im Gehirn auslösen kann. Dieser Anstieg von Dopamin kann ein Gefühl des Wohlbefindens und der Euphorie auslösen und erklärt zum Teil, warum Musik eine so starke emotionale Wirkung auf Menschen haben kann. Manche Menschen - insbesondere professionelle Musiker:innen, die sich sehr viele Stunden am Tag mit Musik beschäftigen - beschreiben das tägliche Musizieren geradezu als "Sucht". Bildgebungsstudien konnten zeigen, dass während des Hörens von als angenehm empfundener Musik der Blutfluss in denjenigen Regionen erhöht ist, die zum Dopamin-gesteuerten Belohnungssystem des Gehirns gehören und auch bei suchtauslösenden Drogen oder Glücksspiel involviert sind.
Auch das Erreichen von Zielen am Instrument - kleinere Erfolge wie eine durch Üben geglückte Passage oder ein erreichter Meilenstein am Instrument - schüttet Dopamin aus und stärkt nebenbei die Selbstwirksamkeit, sofern man sich selbst den Erfolg zuschreibt. Naturgemäss lösen insbesondere positive Kritiken und leistungsabhängige Komplimente erhebliche Dopamin-Kicks (inkl. des bekannten "Auftrittskicks") aus, welche jedoch die Gefahr bergen, sich von der Meinung anderer Menschen übermässig emotional abhängig zu machen.Häufig kommt es dann zu besonders negativen Emotionen, wenn diese Reaktionen anderer ausbleiben oder negativ sind. In diesem Fall steigt der Dopaminspiegel erst in Erwartung deutlich an, um dann bei Ausbleiben der erwünschten Reaktion besonders stark abzufallen. Echte Wertschätzung und sinnvolle Rückmeldungen sind daher langfristig gesünder und pädagogisch erfolgsversprechender. Um unabhängig von der Meinung anderer zu werden helfen auch selbstgesteckte Ziele und Selbst-Reflektion in einem Journal (Siehe auch: SMART - psychologisch wirksame Ziele).
Serotonin - Musik für Gute Laune & als Anti-Depressivum
Musik kann eine breite Palette an Emotionen wie Freude, Trauer und Angst hervorrufen, und für viele Menschen hat Musik nicht nur große Bedeutung, sondern sie nutzen sie auch aktiv zur Modulierung ihrer Stimmung. Serotonin ist ein weiterer Neurotransmitter, der die Stimmung und Emotionen beeinflusst und in Form von Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern als Anti-Depressivum bei depressiven Verstimmungen und Ängsten verschrieben wird. Musik kann die Freisetzung von Serotonin fördern und somit - ähnlich wie Bewegung an der frischen Luft - zur Verbesserung der Stimmung beitragen.
GABA & Glutamat - Musik zur Beruhigung und Anregung
GABA, ein hemmender Neurotransmitter, kann die Muskelspannung reduzieren und eine entspannende Wirkung haben, was wiederum die Entspannung während des Musikhörens fördert. Glutamat, ein erregender Neurotransmitter, spielt eine Rolle bei der Wahrnehmung von Klangqualität und Rhythmus.
Die Rolle von Hormonen
Neben Neurotransmittern beeinflussen auch Hormone die neurochemischen Reaktionen auf Musik, wenn diese die Blut-Hirn-Schranke überwinden, also ins Gehirn gelangen.
Endorphine - Musik als Droge und Anti-Schmerzmittel
Endorphine sind körpereigene Schmerzmittel und Glückshormone und werden bei rauschartigen Zuständen, bei Schmerzen aber auch beim Verliebtsein ausgeschüttet. Musik, die starke Emotionen hervorruft, kann die Freisetzung von Endorphinen stimulieren. Dies kann ein Gefühl der Euphorie erzeugen und erklärt, warum Musik oft mit positiven Erlebnissen und Erinnerungen verknüpft wird.
Oxytocin - Soziale Bindung Stärken durch Musik
Oxytocin, oft als "Kuschelhormon" bezeichnet, spielt eine Rolle bei sozialen Bindungen und Empathie. Musik kann die Freisetzung von Oxytocin fördern, insbesondere wenn sie in sozialen Gruppen erlebt wird, wie zum Beispiel bei Konzerten oder gemeinsamem Singen. Dies kann das Gefühl der Verbundenheit und des Zusammenhalts verstärken. Auch als »Kuschelhormon« bekannt, wird Oxytocin in besonderem Maße bei der Geburt, beim Stillen, allgemein beim Körperkontakt von Menschen und nach dem Geschlechtsverkehr ausgeschüttet. Es ist jedoch noch unklar, ob Musik eine besondere Oxytocin-Ausschüttung bewirkt oder ob dies allein durch die soziale Aktivität und die damit einhergehende Stärkung der sozialen Bindung erklärbar ist und somit auch bei jeder anderen (positiven) sozialen Aktivität mit anderen auftreten kann.
Cortisol - Musik zur Stressreduktion
Cortisol ist ein Stresshormon, das in stressigen Situationen vermehrt ausgeschüttet wird. Musik kann helfen, den Cortisolspiegel zu senken, was zu Entspannung und Stressreduktion führen kann. Langsamer, ruhiger Musik wird oft eine beruhigende Wirkung zugeschrieben. Studien ergaben, dass das Hören von ruhiger, langsamer und leiser Musik den Puls und Stresshormone wie Cortisol reduzieren kann. (Siehe auch: Herzergreifend - oder wie Musik die Herzfunktion beeinflusst). Bei Angstpatienten oder in der postoperativen Verosorgung kann Musik die Konzentration von weiteren mit Stress in Verbindung stehenden Stoffen senken.
Siehe auch: Stress bei Musiker:innen
Immunbotenstoffe - Musizieren für die Abwehrkräfte
Besonders viele Studien wurden zu immunverbessernden Effekten von Musikhören und Musikmachen durchgeführt. Immunglobulin A (s-IgA) wird als Immunwirkstoff in Körperflüssigkeiten wie Speichel, Bronchialsekret und Verdauungssäften hergestellt und ist der erste Stoff des Immunsystems, mit dem Bakterien und Viren konfrontiert sind. Mehrere Studien konnten zeigen, dass sowohl das Hören ruhiger, angenehmer Musik als auch das aktive Musizieren, insbesondere das Singen im Chor, die Menge von sIgA im Speichel erhöht. Besonders stark ausgeprägt war dies bei Sängern während der Aufführung (in den Proben waren die Werte nur moderat erhöht), und vor allem dann, wenn sie die Aufführung als positiv empfanden.
Fazit - die Neurochemie der Musik im Alltag nutzen
Musik hat eine beeindruckende und tiefgreifende Wirkung auf dein Musiker:innen-Gehirn und deine Gesundheit. Sie beeinflusst zahlreiche neurochemische Prozesse – von der Ausschüttung von Glücks- und Bindungshormonen bis hin zur Reduktion von Stress und Stärkung des Immunsystems. Ob beim Hören oder beim aktiven Musizieren, besonders in sozialen Gruppen, Musik bietet dir als Musiker:in enormen emotionalen und körperlichen Nutzen. Durch die Neurochemie der Musik kannst du nicht nur deine Stimmung und dein Wohlbefinden steigern, sondern auch deine gesundheitliche Resilienz und sozialen Bindungen - gesundes Altern inklusive - stärken. Bleib dran und entdecke weiterhin, wie Musik dein Leben positiv verändern kann!
Quellen und weiterführende Links
Altenmüller, E. (2018). Vom Neandertal in die Philharmonie: Warum der Mensch ohne Musik nicht leben kann. Springer-Verlag.
Chanda, M. L. & Levitin D. J., »The Neurochemistry of Music«, in: Trends in Cognitive Sciences 17 (2013), Nr. 4, S.179–193 (für einen Überblick)
Wenhart, T., "Backstage - physiologische und mentale Höchstleistungen von Orchestermusikern", in: Amort, F. (ed., 2023), 500 Jahre gelebte Tradition - das bayerische Staatsorchester. Bärenreiter Verlag
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