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AutorenbildDr. Teresa Wenhart

Die unsichtbare Last: Psychische Belastungen und Mentale Gesundheit bei Musikern

Aktualisiert: 15. Okt.

Musik ist mehr als nur eine Kunstform; sie ist für viele Berufsmusiker eine Lebensweise. Hinter den strahlenden Auftritten verbirgt sich jedoch oft eine Realität, die weniger bekannt ist: psychischen Belastungen, mit denen Musiker :innen- nicht selten seit der Kindheit - täglich zu kämpfen haben. In den letzten Jahren haben Forschungen dieses Thema verstärkt in den Fokus genommen, und wichtige Erkenntnisse über die spezifischen Herausforderungen und Risiken in diesem Bereich gewonnen. Dieser Beitrag beleuchtet die neuesten Forschungsergebnisse, welche Faktoren die psychische Gesundheit von Musiker:innen beeinflussen und welche Maßnahmen ergriffen werden können, um ihre Situation zu verbessern.



psychische Belastungen bei Musikern

Psychische Belastungen bei Musikern

Die Musikindustrie ist bekannt für ihren intensiven Wettbewerb und die hohen Erwartungen, die an Künstler:innen gestellt werden. Musiker:innen sind oft extremen Arbeitszeiten, unregelmäßigen Einkommen und ständiger Unsicherheit ausgesetzt. Diese Faktoren tragen erheblich zu psychischen Belastungen bei Musiker:innen bei und erhöhen das Risiko für verschiedene psychische Störungen.

Eine Studie der Universität Westminster und Help Musicians UK ergab, dass 71,1 % der Musiker:innen unter Angstzuständen leiden, während 68,5 % von Depressionen betroffen sind (Gross & Musgrave, 2016). Diese Zahlen sind alarmierend hoch im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung, bei der etwa 20 % eine ähnliche Diagnose haben (Wittchen & Jacobi, 2005).

Zusätzlich zu diesen verbreiteten Störungen zeigen neuere Untersuchungen, dass Musiker:innen auch ein erhöhtes Risiko für Zwangssymptomatik und Persönlichkeitsstörungen haben (Kaufman et al., 2018). Diese Schwierigkeiten können durch die rigide Selbstdisziplin und den Perfektionismus, die in der Musikbranche häufig gefordert werden, verstärkt werden. Darüber hinaus ist die Suizidrate unter Musiker:innen ebenfalls alarmierend hoch, was die Notwendigkeit für sofortige und umfassende Interventionen unterstreicht (Stack, 2001).


Ursachen und Risikofaktoren

Mehrere Faktoren tragen zur hohen Prävalenz psychischer Erkrankungen unter Musiker:innen bei:


  • Berufliche Unsicherheit und finanzielle Instabilität: Viele Musiker:innen arbeiten als Freiberufler:innen und haben kein festes Einkommen. Die finanzielle Unsicherheit führt zu chronischem Stress, der langfristig die psychische Gesundheit beeinträchtigen kann (Raeburn, 2015).

  • Unregelmäßige und lange Arbeitszeiten: Unvorhersehbaren Arbeitszeiten, langen Tourneen und die ständige Notwendigkeit, Höchstleistungen zu erbringen, können zu einem Ungleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben führen, den natürlichen Schlafrhythmus stören und zu körperlicher und mentaler Erschöpfung führen (Kenny, 2011).

  • Hohe Erwartungen und Perfektionismus: Musiker:innen stehen unter dem ständigen Druck, Höchstleistungen zu erbringen. Dies fördert nicht nur Angstzustände, sondern auch zwanghaftes Verhalten und soziale Isolation (Dobson, 2010).

  • Isolation und soziale Entfremdung: Trotz der Arbeit in einer kreativen und sozialen Umgebung können sich Musiker:innen oft isoliert fühlen. Der ständige Wechsel zwischen Tourneen und verschiedenen Projekten erschwert es, stabile soziale Beziehungen aufzubauen (Cooper & Wills, 1989).

  • Persönlichkeits- und Sozialprobleme: Die ständige Notwendigkeit, ein „perfektes“ Image zu wahren, kann darüber hinaus zu erheblichen sozialen Problemen führen. Musiker:innen haben oft Schwierigkeiten, stabile Beziehungen aufrechtzuerhalten, was ihre Einsamkeit und Isolation verstärkt (Schoen, 2004).

  • Veranlagung zur Hochsensibilität: Siehe dazu: Hochsensibilität bei Musikern - zwischen künstlerischer Gabe und emotionaler Herausforderung


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Auswirkungen auf das Leben und die Karriere

Die psychische Belastung kann weitreichende Folgen für das Leben und die Karriere von Musiker:innen haben. Psychische Erkrankungen beeinflussen nicht nur die Kreativität und Leistungsfähigkeit, sondern auch das allgemeine Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit. In schweren Fällen kann es zu Substanzmissbrauch, Rückzug aus dem sozialen Leben und sogar zu Suizidgedanken kommen.

Eine Umfrage der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) aus dem Jahr 2020 zeigte, dass fast die Hälfte der befragten Orchestermusiker an Symptomen von Burnout leidet (DOV, 2020). Die Corona-Pandemie hat die Situation verschärft, da viele Musiker aufgrund abgesagter Konzerte und Veranstaltungen vor finanziellen und emotionalen Herausforderungen standen (Spahn, 2021).


Psychologisches Coaching und Präventionsstrategien

Angesichts der alarmierenden Situation wächst das Interesse an gezielten Interventionsmaßnahmen, die auf die spezifischen Bedürfnisse von Musiker:innen zugeschnitten sind. Psychologisches Coaching hat sich hierbei als besonders wertvoll erwiesen.

  • Psychologisches Coaching: Dieses Ansatz geht über die klassische Therapie hinaus, indem es Musiker:innen hilft, ihre mentalen Ressourcen zu stärken, Resilienz aufzubauen, ihre Persönlichkeit zu entwickeln und ihre beruflichen Ziele trotz hoher Belastungen zu erreichen (Osborne et al., 2020). Es fördert ein besseres Verständnis für die eigene Psyche und bietet Strategien zur Bewältigung von Stress, Perfektionismus und sozialen Herausforderungen.

  • Spezialisierte Beratungsdienste: Organisationen wie Help Musicians UK bieten gezielte Unterstützung für Musiker:innen, einschließlich Krisenintervention und langfristiger Betreuung (Gross & Musgrave, 2016).

  • Achtsamkeit und Stressmanagement: Trainings in Achtsamkeit, Meditation und anderen Stressbewältigungstechniken haben sich als wirksame Mittel erwiesen, um die mentale Widerstandsfähigkeit zu stärken (Braden et al., 2018).

  • Peer-Support-Netzwerke: Der Austausch mit anderen Musiker:innen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, kann eine wertvolle Ressource sein. Plattformen und Netzwerke, die Peer-Support anbieten, helfen dabei, Isolation zu überwinden (Ascenso et al., 2017).

  • Aufklärungskampagnen: Initiativen, die Musiker:innen über psychische Gesundheit informieren und Stigmata abbauen, sind entscheidend, damit Musiker:innen offen über ihre Probleme sprechen können und um frühzeitige Interventionen zu fördern (Kenny & Asher, 2016).


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Schlussfolgerung


Die psychische Gesundheit von Berufsmusiker:innen ist ein komplexes Thema, das durch zahlreiche Faktoren im privaten und professionellen Umfeld beeinflusst wird. Die jüngsten Forschungsergebnisse verdeutlichen, dass Musiker:innen eine besonders anfällige Gruppe für psychische Erkrankungen sind und dass die Branche spezifische Maßnahmen ergreifen muss.

Es ist ermutigend zu sehen, dass sich in den letzten Jahren einiges getan hat, um dieses Problem anzugehen. Dennoch bleibt viel zu tun, denn speziell auf Musizierende zugeschnittene psychologische Betreuungsangebote und Präventionsmassnahmen sind dabei noch eine Seltenheit. Es ist jedoch entscheidend, dass Musiker:innen Zugang zu den notwendigen Ressourcen und angemessenen (inhaltlich, örtlich und zeitlichen) Unterstützungssystemen haben, um ihre psychische Gesundheit zu schützen. Nur so kann sichergestellt werden, dass sie nicht nur auf der Bühne ihre beste Leistung erbringen können sondern auch daneben ein individuell ausgeglichenes und zufriedenes Leben führen können.


 

Quellen:

  • Ascenso, S., Perkins, R., Atkins, L., Fancourt, D., & Williamon, A. (2017). Promoting wellbeing through group drumming with mental health service users and staff: A mixed-methods study. Arts & Health, 10(3), 171–188.

  • Dobson, M. C. (2010). Performing your self?: Autonomy and self-expression in the work of jazz musicians and classical instrumentalists. Music Performance Research, 3(1), 42-60.

  • DOV (Deutsche Orchestervereinigung). (2020). Umfrage zur psychischen Gesundheit von Orchestermusikern.

  • Gross, S. A., & Musgrave, G. (2016). Can music make you sick? Music and depression. University of Westminster.

  • Kaufman, S. B., Bromley, M. L., & Korn, E. (2018). The Dark Side of Creativity: Original Thinkers Can Be More Dishonest. Academy of Management Journal, 61(5), 1802-1825.

  • Kenny, D. T. (2011). The psychology of music performance anxiety. Oxford University Press.

  • Kenny, D. T., & Asher, A. (2016). Life satisfaction and life values in young adult musicians: A comparison with university students and non-music peers. Psychology of Music, 44(5), 1-16.

  • Osborne, M. S., Braden, A. M., & Wilson, S. J. (2020). The role of coaching in promoting musicians’ wellbeing: A mixed-methods evaluation of a training programme for advanced music students. Psychology of Music, 48(2), 212-231.

  • Raeburn, S. (2015). Health promotion in schools of music: The past, the present and the future. International Symposium on Performance Science.

  • Schoen, D. (2004). Personality disorders and creativity in performing artists. The Arts in Psychotherapy, 31(4), 221-235.

  • Spahn, C. (2021). Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Musiker und Musikerinnen: Eine psychologische Betrachtung. Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie.

  • Stack, S. (2001). Suicide risk among artists: A secondary analysis of the National Mortality Followback Survey. Journal of Arts Management, Law, and Society, 31(4), 242-249.

  • Wittchen, H. U., & Jacobi, F. (2005). Size and burden of mental disorders in Europe—a critical review and appraisal of 27 studies. European Neuropsychopharmacology, 15(4), 357-376.

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