Wie sportlich ist Musizieren eigentlich für das Herz-Kreislauf-System? Wie stark erhöhen sich Puls und Blutdruck bei Profimusiker:innen auf der Bühne? Und kann das Hören von beruhigender Musik das Herz beruhigen? Über den Zusammenhang von musikalischen Merkmalen, Emotionen und Stress bei Musiker:innen und ihrem Publikum.
Disclaimer: Der vorliegende Artikel stellt keine ärztliche Einschätzung oder Empfehlung dar. Aufgrund meiner Hochschulausbildung zur Psychologin beziehen sich die Erkenntnisse lediglich auf psychische und emotionale Einflüsse auf die geschilderten physiologischen Symptome und meine persönliche Zusammenfassung wissenschaftlicher Forschungsartikel. Schlüsse bezüglich individueller Herzgesundheit oder Herzbelastung beim Musizieren sollten immer mit einem Hausarzt/einer Hausärztin, einem Kardiologen/einer Kardiologin oder einem/einer darauf spezialisierten Sport- oder Musikermediziner:in abgeklärt werden.
"Broken Heart" - Acryl-Malerei mit Strukturpaste (Teresa Wenhart, 2023)
Musizieren und Herzfunktion - Eine Belastung für das Herz?
Die Herzfrequenz, also die Anzahl Herzschläge pro Minute (Puls), wird wie die Atmung und andere lebenswichtige Funktionen überwiegend durch Zentren im Hirnstamm gesteuert, welche Reflexe auslösen und das autonomen Nervensystem (Parasympathikus und Sympathikus) regulieren. Diese tiefen, entwicklungsgeschichtlich sehr alten Hirnregionen stehen wiederum in Verbindung mit dem Gehirn und insbesondere dem limbischen System, den Emotionszentren. Emotionale Erregung (Arrousal) erhöht deshalb die Herzfrequenz und den Blutdruck und dies hängt unter anderem auch von der individuellen Bewertung der Situation ab (z.B. welche Musik einen persönlich bewegt, oder allgemein z.B. welche Situation Angst auslöst). Mit erhöhter Schlagfrequenz des Herzens geht auch eine reduzierte Herzratenvariabilität einher (HRV). Herzratenvariabilität ist ein Zeichen des parasympatischen Nervensystems, also des Gegenspielers des bei Stress und Aufregung aktiven sympatischen Nervensystems und wird daher genauso durch emotionale Prozesse beeinflusst.
Die physiologischen Anforderungen an das Musizieren und der Stress der Auftrittssituation führen unter anderem zu einer Erhöhung der Herzfrequenz während der Aufführung und einer messbaren Belastung des Herz-Kreislauf-Systems, eine konditionelle Beanspruchung, die für einen gesunden Menschen laut der Musikermedizinerin Maria Schuppert jedoch unbedenklich ist. Der Ruhepuls eines gesunden Menschen liegt circa bei 60 bis 90 Schlägen pro Minute (bpm) und ist von Alter, Geschlecht und Body-Mass-Index abhängig. Wie hoch ist nun typischerweise der Puls bei einer Konzertaufführung gegenüber einer Probe?
Ein Forschungsteam um die spanische Wissenschaftlerin Claudia Iñesta hat verschiedene Musiker:innen (Orchestermitglieder verschiedener Instrumente, Kammermusiker:innen, Solist:innen) mit tragbaren Systemen ausgestattet, die die Herzfrequenz aufzeichneten und die Veränderungen des Pulses über die Zeit erfasst (siehe Abbildungen unten). Bei einem Solopianisten konnte die Forschungsgruppe eine konstant hohe durchschnittliche Herzfrequenz von 175 Schlägen pro Minute (bpm) während eines fast 40-minütigen Recitals feststellen, bei einem Streichquartett lag sie etwas niedriger, bei 159 bpm mit individuellen Unterschieden der Mitglieder. Auch 20 Minuten vor dem Auftritt wurden hier schon Werte von 100 bpm gemessen.
Herzfrequenz eines Pianisten während einer wichtigen Wettbewerbs-Performance (Bartok's 14thsuite). Die durchschnittliche (!) Herzfrequenz während des Konzerts betrug 175 bpm, bei einer maximalen Herzrate von 194 bpm.
Herzfrequenz einer bekannten 41-jährigen Pianist während eines vierhändigen Klavierstücks. Sie behielt eine mittlere Herzfrequenz von 136 bpm über fast zwei Stunden Konzertdauer bei, mit Phasen über 150 bpm und einer maximalen Herzfrequenz von 180.
Herzfrequenzen der Mitglieder:innen eines Streichquartetts während einer Aufführung. Vor dem Konzert (Konzert = blauer Balken) sind die Linien der Herzfrequenzen in einem ähnlichen Bereich. Dies ändert sich mit dem Beginn des Konzertes gemäss der Bedeutung der Stimmen in dem Quartett.
Drei Abbildungen (Figure 1, 2 und 5) aus Iñesta, Terrados, García & Pérez (2008) zu Musizieren und Herzfunktion: Die Herzfrequenzen von von zwei Solo-Pianist:innen und vier Mitgliedern eines Streichquartetts wurden vor Beginn des Konzerts bis zum Ende des Konzerts aufgezeichnet.
Dass die Herzfrequenz bei Proben ohne Publikum in der Studie bei nur leicht erhöhten 100 bpm lag, zeigt, welch großen Effekt der Stress der Auftrittssituation auf den Körper ausübt – auch bei gewöhnlichem Lampenfieber ohne eigentliche Auftrittsangst. Während öffentlichen Konzerten liegt die durchschnittliche Herzfrequenz von professionellen Musiker:innen bei 60.2% ihrer theoretisch berechneten maximalen Herzfrequenz. Im Durchschnitt erreichen sie während der Aufführung dabei Spitzenwerte von 76.8% ihrer maximalen Herzfrequenz. Diese Werte entsprechen moderater bis hoher sportlicher Betätigung.
Doch trotz der kurzfristig hohen physiologischen Belastung des Herz-Kreislauf-Systems gibt es müssen laut der Musikermedizinerin Maria Schuppert und Sebastian Kerber keine Hinweise auf eine höhere Prävalenz von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Musiker:innen und diese werden im Allgemeinen auch nicht durch das Musizieren verursacht. Mediziner:innen jedoch bei Musiker:innen mit Herzerkrankungen deren hohe berufliche Herzbelastung berücksichtigen, wenn es um die Arbeitsfähigkeit geht. Besonders solistische Musiker:innen sollten sich der Belastung eines Konzerts für das Herz bewusst sein und können sich darauf vorbereiten: mithilfe psychologische Bewältigungsstrategien - um chronischem und akutem (Bühnen-) Stress vorzubeugen und diesen zu reduzieren - sowie durch angemessenes physisches Konditionstraining. Sportliches Training hat ausserdem den zusätzlichen Vorteil, dass es Glückshormone (Endorphine) ausschüttet, Stress abbaut und sich als wirksam gegen Auftrittsangst erwiesen hat.
Mehr dazu:
Stress unter Musiker:innen
Eine der ersten Studien zu stressbedingten Beschwerden untersuchte im Jahr 1988 2212 professionelle Musikerinnen und Musiker in 47 US-amerikanischen Orchestern. Das Ergebnis: Musiker mit psychologischen oder physiologischen Beschwerden berichten von signifikant stärker wahrgenommenem Stress als ihre Kollegen. Die häufigsten gesundheitlichen Einschränkungen waren dabei soziale Phobie, Auftrittsangst, Depressionen, Muskel- und Gelenkbeschwerden sowie Herz-Kreislauf-Probleme. Selbst wenn die Studie nur einen (allgemeinen) Zusammenhang zwischen Beschwerden und empfundenem Stress zeigt und aufgrund der Forschungsmethodik keinen kausalen Einfluss des Stresses auf die Beschwerden belegen kann, liegt es nahe, dass arbeitsbezogener (Dauer-)Stress ebenso wie in anderen Professionen mit einem höheren Risiko für psychologische und physiologische Beschwerden einhergeht. Ferner zeigt die Studie, dass Musiker mit Soloverpflichtung – im Orchester insbesondere Holz- und Blechbläser, Paukisten, Harfenisten sowie hohe Streicher – mehr von leistungsbezogenem Stress betroffen sind als andere Musiker:innen. In der klassischen Musik und besonders in größeren Formationen wie einem Orchester kommt zur hohen Belastung und Anforderung sowie zum eigenen und auch gesellschaftlichen Anspruch ein weiterer Stressfaktor hinzu: wenig Kontrolle oder Einfluss auf die Situation. Nicht nur sind die Noten vorgegeben und lassen keinen so großen Improvisationsspielraum, wie es bei anderen Musikrichtungen (etwa dem Jazz) der Fall ist, auch die musikalische Gestaltung liegt beim Orchesterspiel weitestgehend in den Händen der Dirigenten, der Stimmführer oder wird von der Gruppendynamik beeinflusst. Dadurch kann die Situation als nur begrenzt kontrollierbar erscheinen. Unkontrollierbarkeit ist aber einer der Faktoren, die Menschen am meisten stressen. Auch treten nicht selten soziale Spannungen in der Stimmgruppe, im Orchester, zwischen Musikern und Dirigenten oder Agenten auf und lösen ebenfalls Stress aus. Nicht zuletzt können die enorme Reisebelastung der gastierenden Orchester und unregelmäßige Tagesabläufe und Einsatzpläne körperlich und mental zehren.
Musikhören - Kann Musik das Herz entspannen?
Musik hat die faszinierende Kraft, Emotionen und Stimmungen hervorzurufen und zu verändern und beeinflusst dabei auch die Herzrate, den Blutdruck und die Atmung der Zuhörenden. Generell muss man sagen, dass die Studienlange zum Effekt von Musik auf die Herzfrequenz wegen der vielen Einflussfaktoren und unterschiedlichen Studiendesigns inhomogen ist und nur kleine Effekte gefunden wurden, wie ein Review der bekannten Neuropsychologen Stefan Koelsch und Lutz Jäncke 2015 zusammenfasste.
Aufgeregte, energetische Musik erhöht die Herzfrequenz, die Atemfrequenz und den Blutdruck verglichen zu ruhigerer, langsamerer Musik bei Musiker:innen und einer Kontrollgruppe, wie eine Forschungsgruppe um Luciano Bernardi zum Beispiel zeigen konnte. Der musikalische Stil bzw. das Genre spielten dabei offenbar keine Rolle, sondern lediglich das Tempo! Musiker:innen zeigten dabei eine stärkere Erhöhung der Atemfrequenz bei schnellerer Musik als Nicht-Musiker:innen. In beiden Gruppen stiegen Herzfrequenz und Blutdruck zudem auch allgemein beim Musikhören, verglichen mit Stille, um etwa 1-2 Schläge pro Minute. Pausen selbst innerhalb eines Stückes senken dadurch insbesondere bei Musiker:innen laut dieser Studie die Herzrate und den Blutdruck wieder vorübergehend.
Wie verschiedene Studien zeigen konnten - z.B. der Arbeitsgruppe um Michele Orini - ist Effekt der Herzratenerhöhung außerdem umso grösser bei Musik, die uns gefällt, gegenüber solcher, die uns nicht so gut gefällt. Musik, die uns gefällt, erhöht außerdem die Hautleitfähigkeit und verstärkt die Atemfrequenz und -tiefe. Dies sind weitere Zeichen für eine Aktivierung des sympathischen Nervensystems.
Entgegen verschiedenster Anekdoten konnte bisher noch nicht eindeutig belegt werden, dass schnellere Musik das Herz beschleunigen soll, während langsamere Musik es beruhigt. Vielmehr zeigte die Forschungsgruppe um Roland Krabs, dass das emotionale Arousal der Musik ausschlaggebend ist. Wenn in der Studie das emotionale Arousal der langsamen Musik genauso hoch war, wie beim Hören schneller, erregender Musik, veränderten sich die physiologischen Parameter nicht.
Ob Musikhören das Herz entspannt hängt also vor allem vom Tempo und unserer -bewussten und unbewussten - emotionalen Bewertung ab. Da ruhige Musik aber meist mit geringerer Aktivierung verbunden ist geht diese vergleichsweise eher mit geringerem Puls und geringerer Herzrate einher. Verschiedene andere Studien ergaben außerdem, dass das Hören von ruhiger, langsamer und leiser Musik Stresshormone wie Cortisol reduzieren kann und ebenso bei Angstpatienten oder in der postoperativen Versorgung mit einer Senkung der Konzentration von weiteren mit Stress in Verbindung stehenden Stoffen einhergeht. Wenn die Musik als positiv wahrgenommen wird, kann sie - obwohl oder gerade weil sie als emotional anregend empfunden wird - eben Stress reduzieren!
Tiere, Stress und Musik
Tiere, besonders Haustiere, sind übrigens besonders stressanfällig, sozusagen "hochsensibel" - wie Musiker:innen. :-) An Silvester verkriechen sich die meisten Katzen unter dem Bett ihrer Besitzer (oder hinter dem Cello) und wenn der Bagger kommt fallen sie auch mal vor Schreck vom Balkon. Paradoxerweise, oder vielleicht gerade deshalb, haben viele Tiere aber eine beruhigende Wirkung auf gestresste Zweibeiner, wie zahlreiche Studien zeigen, und ihre Anwesenheit kann sogar den Blutdruck senken. Eine Untersuchung um Amanda Hampton zeigte 2020 außerdem, dass spezifische für Katzen komponierte Musik das Stresslevel der Tiere reduzieren konnte, während klassische Musik und Stille nicht den selben Effekt hatte.
Quellen und weiterführende Links
Altenmüller, E., & Klöppel, R. (2015). Die Kunst des Musizierens: von den physiologischen und psychologischen Grundlagen zur Praxis. Schott Music.
Bernardi, L. Cardiovascular, cerebrovascular, and respiratory changes induced by different types of music in musicians and non-musicians: The importance of silence. Heart92, 445–452 (2005).
Heather L. Vellers, Conor Irwin und J. Timothy Lightfoot, »Heart Rate Response of Professional Musicians When Playing Music«, in: Medical Problems of Performing Artists 30 (2015), Nr. 2, S.100–105
Hernandez-Ruiz, E., James, B., Noll, J., & Chrysikou, E. G. (2020). What makes music relaxing? An investigation into musical elements. Psychology of Music, 48(3), 327–343.
Iñesta,C., Terrados, N., García, D. & Pérez, J.A. (2008), Heart Rate in Professional Musicians, in: Journal of Occupational Medicine and Toxicology 3/16.
Koelsch, S., Fuermetz, J., Sack, U., Bauer, K., Hohenadel, M., Wiegel, M., ... & Heinke, W. (2011). Effects of music listening on cortisol levels and propofol consumption during spinal anesthesia. Frontiers in psychology, 2, 58.
Koelsch, S. & Jäncke, L. (2015), Music and the heart, European Heart Journal, Volume 36/44
Krabs, R. U., Enk, R., Teich, N., & Koelsch, S. (2015). Autonomic effects of music in health and Crohn's disease: the impact of isochronicity, emotional valence, and tempo. PloS one, 10(5), e0126224.
Lawlor, D. A., & Hopker, S. W. (2001). The effectiveness of exercise as an intervention in the management of depression: systematic review and meta-regression analysis of randomised controlled trials. Bmj, 322(7289), 763.
Middlestadt, S.E., & Fishbein,M. (1988), Health and Occupational Correlates of Perceived Occupational Stress in Symphony Orchestra Musicians, in: Journal of Occupational Medicine 30/9
Orini, Michele, Raquel Bailón, Ronny Enk, Stefan Koelsch, Luca Mainardi, and Pablo Laguna. "A method for continuously assessing the autonomic response to music-induced emotions through HRV analysis." Medical & biological engineering & computing 48 (2010): 423-433.
Schuppert, M., & Kerber, S. (2015). Kardiologische Aspekte in der Musikermedizin. Musik-, Tanz und Kunsttherapie. 25/1, 45–48.
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