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Schemaarbeit & Schemacoaching für Musiker:innen

Schemacoaching [1,2] definiert sich als die Anwendung von Methoden aus der Schematherapie nach Young (1993)
[3,4]. Aufgrund des nachvollziehbaren Modells und der passenden Übungen hat sich Schematherapie/-coaching  insbesondere in der Persönlichkeitsbildung und Paartherapie [2,3] bewährt.

Musiker:innen werden ihre gesamte Jugend und Ausbildungszeit durch dyadische Beziehungen zu einzelnen Musiklehrkräften geprägt - fachlich wie persönlich. Aufgrund der Häufigkeit, Dauer, Bedeutung und Intimität dieser  Beziehungen werden unbewusste, individuelle Schemata beider Seiten im Unterrichtskontext häufig erlebbar oder können im ungünstigen Fall entstehen bzw. sich verstärken. Aktivierung von kindlichen Anteilen (z.B. verletztes Kind:  "Ich bin nicht gut genug") führen dazu, dass verinnerlichte, autoritäre Glaubenssätze (Schuld, Scham im inneren Monolog), wie auch maladaptive Bewältigungsstrategien (Fight, Flight, Freeze) auftreten. Bei viele Personen - Musiker:innen wie nicht-Musiker:innen - erschweren solche unbewussten Schemata die optimale Lern-, Leistungs- und Beziehungsfähigkeit im Alltag. Diese Schemata manifestieren sich später auch in der Interaktion mit Kolleg:innen in Kammermusik und Orchester oder in der eigenen Lehrtätigkeit. 

In vielen Fällen führen Schemaberatung (Aufklärung, Selbstreflektion) und ressourcenaktivierende Schemacoaching-Methoden zu deutlichen Verbesserungen bei subklinischen Personen [2]. Individuelles Schemacoaching sowie Workshops in Gruppen können deshalb helfen, die Lebensqualität, den Erfolg sowie zwischenmenschliche Beziehungen im Lehr- und Berufskontext von Musiker:innen individuell sowie gesellschaftlich und insbesondere nachhaltig zu verbessern.

Wie entstehen Schemata?

Schemata

Alle Menschen haben Schemata, denn sie sind für das Gehirn wichtig, um effizient die "richtige" Handlungsoption auszuwählen. Obwohl man zwischen adaptiven (d.h. hilfreichen, guten) und maladaptiven (d.h. eher hinderlichen) Schemata unterscheidet, waren alle Schemata bei ihrer Entstehung zunächst adaptiv. Es ist zunächst eine hilfreiche Reaktion auf ein verletztes Grundbedürfnis oder zur Vermeidung/Verhinderung von Gefahren (z.B. Gewalt durch oder Verlust der Zuwendung/des Schutzes Bezugsperson; auch derjenigen der Lehrkraft).

Grundbedürfnisse

Beispiel: Ein Kind, das versucht, seine gewalttätige Bezugsperson gütig zu stimmen und ihnen alle Bedürfnisse von den Augen abzulesen, um Gewalt zu vermeiden, handelt sinnvoll und adaptiv. Später im Leben kann das ständige Fokussieren auf die Bedürfnisse andere, jedoch für die nun erwachsene Person und auch für ihr Umfeld nicht mehr angemessen sein. Die Person vernachlässigt so ihre eigenen Bedürfnisse und andere können diese nicht erkennen. Auch weniger "dramatisches" Verhalten des Umfeldes, z.B. regelmässig unangemessen geäusserte Kritik einer Lehrperson des Kindes, kann Schemata prägen (s. unten Beispiel Kritik)

In beiden Situationen wurden ein oder mehrere Grundbedürfnisse des Kindes verletzt (z.B. nach Sicherer Bindung, Autonomie und freiem Ausdruck von Emotionen. 

Schemata & Modus-Modell

Schemamodell

Wenn sich eine erwachsene Person in eine Situation befindet, in der das Gehirn unbewusst eine Ähnlichkeit zu etwas früher (meist häufig) Erlebtem erkennt, wird das entsprechende  abgespeicherte Schema aktiviert. Als Reaktion auf das aktivierte Schema, können verschiedene Modi (d.h. Zustände, die von charakteristischen Gedanken, Gefühlen und Handlungen geprägt sind) auftreten. Diese Modi können beim gleichen Schema je nach Person sehr unterschiedlich sein. Modi sind ausserdem nicht spezifisch für ein Schema, d.h. ein Modus (z.B. Vermeidung als Bewältigungsstrategie) kann bei sehr unterschiedlichen Schemata auftreten.  Die Reaktionen auf das Schema lösen wiederum Reaktionen im sozialen Umfeld aus, die das Schema aufrecht erhalten (d.h. verstärken).

Bei als störend empfundenen, immer wieder kehrenden Problemen des Lebens kann das Modus-Modell helfen, die Auslöser und ablaufenden Reaktionen zu identifizieren und auf allen drei Ebenen adaptivere Strategien (hilfreiche Glaubenssätze, hilfreiche Bewältigungsstrategien, Umgang mit Emotionen) zu entwickeln.

Schemamodell

Beispiel einer Schemaaktivierung als Reaktion auf Kritik

(z.B. durch Lehrperson, Mitstudierende, Peers)

Je nach früheren Erfahrungen und Veranlagung (Temperament) können unterschiedliche Personen mit sehr unterschiedlich Modi (adaptiv wie maladaptiv) reagieren.

Weniger adaptive Strategien sind in rot, adaptivere Strategien in grün gekennzeichnet. Zu jeder Modus-Kategorie (Kindmodi, Bewältigungsmodi, Glaubenssätze) sind mehrere mögliche Formen angegeben. Meist hat eine Person einzelne, typische Muster (z.B. Vermeiden manche Menschen eher unangenehme Gefühle, während andere bei solchen in den "Fight"-Modus gehen). Dies hängt sowohl mit der Prägung des Schemas als auch der Grund-Persönlichkeit und biologischen Veranlagung zusammen. Nicht selten kommen jedoch auch Mischformen vor, d.h. mehrere Emotionen,  Gedanken und Bewältigungsstrategien.

„Gib nicht auf, dich dafür einzusetzen, was du wirklich tun willst. Mit etwas, wo Leidenschaft und Inspiration ist, kann man nicht falsch liegen.“

Ella Fitzgerald (afroamerikanische Jazz-Sängerin)

Quellen:

[1] Migge, B. (2013). Schema-Coaching: Einführung und Praxis: Grundlagen, Methoden, Fallbeispiele. Weinheim: Beltz.

[2] Handrock, A., Zahn, C. A., & Baumann, M. (2016). Schemaberatung, Schemacoaching, Schemakurzzeittherapie. Beltz.

[3] Young, J.E., Klosko, J.S. & Weishaar, M.E. (2003) Schema Therapy: A practitioner’s guide. New York, NY: Guilford Press

[4] Jacob, G., & Arntz, A. (2015). Schematherapie in der Praxis. Beltz

[5] Piaget, J. (1976). Die Äquilibration der kognitiven Strukturen. Stuttgart: Klett.

Wer ich bin und wofür ich stehe

Ich habe Psychologie (BSc., MSc.), Musikwissenschaft, und Cello (Nachdiplomstudium) in München und Zürich studiert und an der Musikhochschule in Hannover (Institut für Musikphysiologie und Musikermedizin) über Neuropsychologie der Musik promoviert. Schon als Kind hatte ich zwei grosse Leidenschaften: Musik und Wissenschaft. Seit früher Kindheit bin ich musikalisch sehr aktiv und spätestens seit 2013 setze ich mich forschend und klinisch-neuropsyschologisch mit Themen aus Musikergesundheit, Neurowissenschaft und Hören ein.

Wissenschaft, Kunst und Gesundheit zusammen zu bringen, ist meine grosse Leidenschaft. Deshalb schreibe ich zu diesen Themen einen Blog, gebe Vorträge, leite Workshops und biete (neuro-) psychologische Einzelbegleitung für Musiker:innen und Musiklehrpersonen an. 

Teresa Wenhart am cello
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